Erinnerungskultur
Yad Vashem
Yad Vashem ist die zentrale israelische Gedenkstätte zur Erinnerung an den Völkermord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus. Im Zentrum von Yad Vashem stehen eine umfassende historische Ausstellung und eine große pädagogische Abteilung. Die Gedenkstätte, die sich in Jerusalem befindet, wird jährlich von über zwei Millionen Menschen besucht.
Seit ihrer Gründung 1953 durch ein Gesetz der israelischen Knesset vereint die Institution Gedenken, historische Dokumentation, akademische Forschung und pädagogische Vermittlung in einem einzigartigen Komplex. Mit einem digitalen Archiv, das Millionen von Nutzern weltweit erreicht, fungiert Yad Vashem nicht nur als Mahnmal, sondern auch als lebendige Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ein wesentliches Element des gesetzlichen Auftrags ist die Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer, die mittlerweile über 4,8 Millionen Einträge umfasst und kontinuierlich erweitert wird.
Die Gründung Yad Vashems geht auf die unmittelbare Nachkriegszeit zurück als die Notwendigkeit einer institutionalisierten Erinnerung an den Holocaust im neu gegründeten Staat Israel diskutiert wurde. Der Name leitet sich aus dem Buch Jesaja ab: „Ich will ihnen in meinem Hause und in meinen Mauern einen Ort und einen Namen geben […] einen ewigen Namen, der nicht vergehen soll“ (Jes 56,5). Dieses biblische Versprechen bildet die ideologische Grundlage der Gedenkstätte, die am 19. August 1953 per Gesetz etabliert wurde.
Der ursprüngliche Plan sah vor, die Namen der Opfer zu bewahren, Zeugnisse zu sammeln und die „Gerechten unter den Völkern“ zu ehren – nichtjüdische Retter, die Juden auch unter der Gefahr des eigenen Lebens geholfen haben.
Der Standort auf dem Har haZikaron (Berg des Gedenkens) westlich Jerusalems wurde bewusst gewählt, um eine physische und symbolische Verbindung zur israelischen Staatsgründung herzustellen. Die architektonische Gestaltung durch Moshe Safdie und die weiteren baulichen Ergänzungen prägen bis heute das Gelände, das sich über 18 Hektar erstreckt.
Museum zur Geschichte des Holocaust
Das Herzstück Yad Vashems bildet das teilweise unterirdisch angelegte Museum zur Geschichte des Holocaust, das 2005 nach einem Neubau von Moshe Safdie eröffnet wurde. Die chronologisch strukturierte Ausstellung verbindet persönliche Gegenstände der Opfer, historische Dokumente und multimediale Installationen. Eine digitale, auf historischen Bildern beruhende Präsentation der Ulica Leszno, der Hauptstraße des Warschauer Ghettos, veranschaulicht zudem die Lebensrealität vor der Vernichtung. Über 100 Bildschirme zeigen Videozeugnisse von Überlebenden, wodurch die abstrakten Zahlen der Opfer individuelle Gesichter erhalten. Die Ausstellung endet auf einer Terrasse, die einen freien Blick über die judäischen Berge eröffnet: Israel ist eine Antwort auf die Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der Judenheit.
Halle der Erinnerung (Ohel Yizkor)
Die von Arieh Elhanani gestaltete Halle beherbergt die Ewige Flamme, die in einem zerbrochenen Bronzekelch brennt – ein Sinnbild für die Zerstörung jüdischen Lebens. Unter einer Granitplatte liegt Asche aus Konzentrationslagern begraben. Die Namen von 22 Vernichtungsstätten sind in den Boden der Halle eingraviert. Die schwere Betonarchitektur mit ihrem schwebenden Dach erzeugt eine Atmosphäre zwischen Last und Transzendenz, unterstützt durch das monumentale Stahltor von David Palombo, dessen deformierende Gestaltung an Gewalt und Widerstand erinnern.
Kindergedenkstätte
Moshe Safdies unterirdische Installation ist dem Gedenken an die 1,5 Millionen ermordeten jüdischen Kinder gewidmet. In einem dunklen Raum sind einige großformatige Portraits sichtbar, und fünf Kerzen reflektieren unzählige Lichtpunkte an der Decke, begleitet von einer endlosen Tonaufnahme in der Namen, Alter und Herkunft der Kinder genannt werden – eine ergreifende akustische und optische Installation.
Halle der Namen
In diesem Raum befinden sich über sechs Millionen Gedenkblätter für die Opfer der Schoa, die Angehörigen der Opfer ausgefüllt wurden. Ein zehn Meter hoher Kegel zeigt 600 Porträts, umgeben von Regalen, die letztlich Platz für die Gedenkblätter aller Opfer böten. Die Sammlung dient nicht nur dem Gedenken, sondern auch der genealogischen Forschung, wobei digitale Zugänglichkeit seit 2011 Priorität hat.
Die Gerechten unter den Völkern
Yad Vashems Programm zur Ehrung nichtjüdischer Retter ist einzigartig. Bis 2025 wurden über 27.000 Personen aus 51 Ländern als Gerechte unter den Völkern anerkannt, darunter z. B. Oskar Schindler und Raoul Wallenberg. Ursprünglich durch das Pflanzen von Bäumen in der „Allee der Gerechten“ geehrt, wechselte man aufgrund Platzmangels zu Ehrenmauern, in die die Namen eingraviert werden. Die Kriterien sind streng: Rettungshandlungen mussten unter Lebensgefahr erfolgen, ohne materielle Gegenleistung, und sie müssen durch durch Zeugen oder Dokumente belegt sein.
Internationale Schule für Holocaust-Studien
Als weltweit führende Einrichtung ihrer Art entwickelt die Schule innovative Lehrmethoden, v.a. im Bereich von Online-Kursen und Seminaren für über 300.000 Teilnehmer jährlich. Ein Schwerpunkt liegt auf der Ausbildung von Lehrkräften, die Holocaust-Education in unterschiedlichen kulturellen Kontexten vermitteln sollen. Multimediale Tools wie Virtual-Reality-Rekonstruktionen von Ghettos ermöglichen immersive Lernerfahrungen.
Forschungsinfrastruktur
Die Bibliothek mit 87.000 Bänden und das Archiv mit 58 Millionen Dokumentenseiten bilden die umfassendste Holocaust-Sammlung weltweit. Seit 2024 konsolidiert der Moshal Shoah Legacy Campus alle Bestände in einem klimakontrollierten Untergrundarchiv, das durch eine Videoinstallation öffentlich zugängliche Einblicke gewährt. Kooperationen mit Universitäten wie der Hebräischen Universität Jerusalem fördern interdisziplinäre Forschungen – von mikrohistorischen Studien zu Einzelschicksalen bis zu umfangreichen Untersuchen etwa zu Genozidvergleichen.
Kunst als Zeugnis
Das Holocaust-Kunstmuseum bewahrt über 10.000 Werke, die in Lagern und Verstecken entstanden. Diese Werke, darunter Zeichnungen von Felix Nussbaum und Charlotte Salomon, dokumentieren nicht nur das Grauen, sondern auch den Überlebenswillen der verfolgten Menschen.
Die Zentrale Datenbank der Namen (Digitale Sammlungen) revolutionierte die Holocaust-Forschung durch Digitalisierung. Über 1.500 Freiwillige erfassten biografische Daten, unterstützt durch KI-gestützte Texterkennung bei der Analyse historischer Dokumente. Seit 2021 ermöglicht eine interaktive Karte die Nachverfolgung von Deportationsrouten, integriert mit Zeugenaussagen und Fotos.
Deutschlands Beitrag zur Digitalisierung osteuropäischer Gemeindearchive ist hier zentral, etwa durch die Erschließung von Geburtsregister aus Litauen oder Briefsammlungen aus Ungarn. Diese Projekte retten nicht nur individuelle Geschichten, sondern rekonstruieren vernichtete jüdische Kulturlandschaften.
