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Historisches Hintergrundwissen

Hochmittelalter bis zur Reformationszeit

Bereits um 900 n. Chr. ist jüdisches Leben im Zusammenhang mit dem Donauhandel in der dokumentiert. Ab dem 11. und 12. Jahrhundert gibt es dann Belege, dass in den wichtigen Bischofs- und Reichsstätten immer mehr jüdische Gemeinden entstehen, die zu wichtigen Zentren jüdischer Kultur und Gelehrsamkeit werden und von der Blüte der jüdischen Kultur zeugen.

Bereits um 900n. Chr. werden „Juden und andere Kaufleute“ im Zusammenhang mit dem Donauhandel in der Raffelstettener Zollordnung erwähnt. Ab dem 11. und 12. Jahrhundert gibt es dann Belege, dass in den wichtigen Bischofs- und Reichsstätten immer mehr jüdische Gemeinden entstehen, die zu wichtigen Zentren jüdischer Kultur und Gelehrsamkeit werden und von der Blüte der jüdischen Kultur zeugen. Neben den rheinischen Städten Speyer, Worms und Mainz etabliert sich das jüdische Leben auch in bayerischen Städten wie Regensburg. 

Als sogenannte „Kammerknechte“ ist die jüdische Bevölkerung seit dem 12. Jahrhundert direkt an die Könige und Kaiser gebunden und damit dem direkten Schutz der Krone unterstellt. Gleichzeitig führt dieser Sonderstatus, der 1270 im Schwabenspiegel rechtlich kodifiziert wird, auch zu einem Leben in Unfreiheit und ist mit einer zunehmenden Ausbeutung verbunden. Insbesondere im kultisch-religiösen Bereich bleiben die jüdischen Gemeinden aber selbstständig und können sich nach jüdischem Recht selbst verwalten. Die jüdische Bevölkerung geht zunächst zahlreichen beruflichen Tätigkeiten wie dem Handel, der Landwirtschaft, dem Handwerk oder der Medizin nach, wird aber vor allem durch die Entstehung christlicher Kaufmannsgilden und Zünfte aus den meisten Berufen verdrängt. Viele bestreiten ihren Lebensunterhalt daraufhin durch das Verleihen von Geld, ein Gewerbe das den Christen in dieser Zeit verwehrt war. Eine Entwicklung, die das Feindbild des unmoralischen, gierigen und skrupellosen Juden schürt. 

Ab dem ausgehenden 11. Jahrhundert wird das bis dahin überwiegend friedliche Zusammenleben von Juden und Christen vor allem im Kontext der Kreuzzüge von ersten Verfolgungen und Pogromen mit zahlreichen Todesopfern überschattet. Das Judentum wird zunehmend abgewertet, was sich ab dem 13 Jahrhundert vermehrt in den – teilweise heute noch sichtbaren – diffamierenden Darstellungen an bayerischen Kirchen und weltlichen Gebäuden zeigt. Angebliche Hostienschändungen oder Ritualmorde verstärken den Hass und die Vorurteile gegenüber der jüdischen Bevölkerung und sind Ausgangspunkt für Verfolgungswellen zum Beispiel in und um Würzburg 1298, denen mehrere Tausend Juden zum Opfer fallen. 

Angesichts der katastrophalen Pestwelle von 1348/49 sucht die christliche Mehrheitsgesellschaft Schuldige und vernichtet in Gewaltexzessen einen Großteil der jüdischen Gemeinden. Motive für die Pogrome sind dabei zum einen die grassierenden Vorurteile, häufig jedoch auch die Schulden bei jüdischen Geldgebern, derer man sich durch Mord oder Vertreibung der Schuldherren zu entledigen versucht. Überlebende Juden kehren nach den sogenannten „Pestpogromen“ zwar häufig in die Städte zurück, leben ab diesem Zeitpunkt jedoch unter deutlich schlechteren Bedingungen. Auch an ihre kulturelle Bedeutung und ihren finanziellen Wohlstand können die jüdischen Gemeinden nach 1349 nicht mehr anknüpfen. 

Ab dem ausgehenden 14. und bis ins 16. Jahrhundert weisen immer mehr Städte sowie weltliche und geistliche Herrscher die jüdische Bevölkerung aus ihren Gebieten aus. Mit dem Ausweisungsedikt Herzogs Albrechts erlischt das jüdische Leben für rund zweihundert Jahre nahezu im ganzen Herzogtum. Lediglich in den kleineren Adelsbesitzungen in Franken und Schwaben können sich noch jüdische Ansiedlungen halten. Die bayerisch-jüdische Bevölkerung weicht auf andere deutsche Städte aus, die sie noch aufnehmen, oder emigriert nach Norditalien oder Osteuropa. Erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert werden auch in kleineren Orten der Hochstifte Bamberg und Würzburg einige jüdische Familien wieder ansässig – die Basis des sich besonders im fränkischen Raum entwickelnden „Landjudentums“. Ähnliche Entwicklungen vollziehen sich in Schwaben.

Gleichzeitig greift in den von der Reformation geprägten Gebieten ein Judenhass um sich, der sich auch auf die antisemitischen Schriften Martin Luthers berufen kann. Lediglich eine geringe Anzahl der Reformatoren – wie beispielsweise Johann Eberlin von Günzburg oder Andreas Osiander aus Gunzenhausen – begegnet der jüdischen Bevölkerung mit einer toleranteren Haltung. In seinen Schriften postuliert Eberlin die Rücksichtnahme auf religiöse Minderheiten und bekundet sein Verständnis für die Lage der Juden, Andreas Osiander widerlegt Vorwürfe über angebliche Ritualmorde durch Juden.   

Auf dem Reichstag 1530 gelingt es schließlich Josel von Rosheim als Vertreter der Juden des gesamten Heiligen Römischen Reichs, sich erfolgreich für die Verbesserung der gesellschaftlichen Position der jüdischen Bevölkerung einzusetzen, indem er durch seine Bestimmungen (Takkanot) die wirtschaftliche Beziehungen zwischen Juden und Christen regelt und damit antijüdischen Maßnahmen und dem Vorwurf der jüdischen Zinswucher entgegenwirkt. 

Quelle: Karin Eben - Jüdisches Leben in Bayern - Haus der Bayerischen Geschichte