Jüdische Gemeinden in Bayern
Beth Shalom - Liberale Gemeinde München
Beth Shalom setzt die Tradition des liberalen Judentums fort, einer im 19. Jahrhundert in Deutschland entstandenen Richtung des Judentums, zu der sich auch in München bis zur Schoa die Mehrheit der Mitglieder der jüdischen Gemeinden zählte.
Beth Shalom entstand aus einer Gruppe überwiegend amerikanischer jüdischer Familien, die 1990 in München begonnen haben, für ihre Kinder Religionsunterricht und Gottesdienste nach liberaler Ausrichtung zu organisieren. Im März 1995 wurde die Gemeinde als eingetragener und gemeinnütziger Verein gegründet und hat sich seitdem dynamisch entwickelt. Beth Shalom ist Mitglied der Union progressiver Juden in Deutschland und gehört dadurch über die European Union for Progressive Judaism der World Union for Progressive Judaism an, die als weltweit größte jüdische religiöse Organisation in über 50 Ländern 1.200 Gemeinden mit 1,8 Millionen Mitgliedern umfasst. Beth Shalom ist außerdem Mitglied der progressiven zionistischen Organisation Arzenu Deutschland und mit dem Israel Movement for Progressive Judaism verbunden. Unsere Partnergemeinde in Israel ist die Congregation Darchei Noam in Ramat HaSharon. Darüber hinaus engagiert sich Beth Shalom im interreligiösen Dialog, kooperiert eng mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und ist unter anderem Mitglied im Rat der Religionen in München.
Geleitet wird die Gemeinde von einem ehrenamtlichen Vorstand, auch viele Gemeindeaufgaben werden ehrenamtlich von Gemeindemitgliedern erbracht. Der Enthusiasmus und das anhaltende persönliche Engagement unserer Gemeindemitglieder haben die Verwirklichung ihrer Vision Schritt für Schritt wahr gemacht. Derzeit hat die Gemeinde rund 650 Mitglieder, darunter viele junge Familien. Etwa 20 Prozent der Mitglieder sind unter 18 Jahre alt. Für Schulkinder bietet Beth Shalom einen staatlich anerkannten Religionsunterricht an.
Seit Juli 2011 verfügt Beth Shalom über gemietete Gemeinderäume in Mittersendling. Unsere Vision ist der Bau einer eigenen liberalen Synagoge, für die uns der weltberühmte Architekt Daniel Libeskind einen Entwurf erstellt hat.
Vorstellung der Gemeinde Beth Shalom
Rabbiner Dr. Tom Kučera erhielt seine Smicha am Abraham Geiger Kolleg in Berlin im Jahr 2006. Die Rabbinerordination fand in der Dresdener Synagoge statt – als die erste in Deutschland seit der Schoa. Kučera studierte an der egalitären Jeschiwa Pardes in Jerusalem und später an der Universität Potsdam, wo er mit dem Magistergrad die jüdischen Studien abschloss. Der promovierte Biochemiker stammt aus dem mährischen Zlín in der Tschechischen Republik. Seit Oktober 2006 amtiert er als Gemeinderabbiner der Liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom in München. Anlässlich des 10. Dienstjubiläums von Rabbiner Kučera haben Mitglieder und Freunde der Gemeinde eine neue Torarolle gestiftet, die in London von Sofer Bernard Benarroch geschrieben und am 24. September 2017 feierlich in die Gemeinde eingebracht wurde.
Von 2014 bis zu seinem tragischen Tod im Jahr 2024 war Nikola David seligen Angedenkens Kantor von Beth Shalom. Er wurde in Bela Crkva im heutigen Serbien geboren. Nach dem Studium der Musikpädagogik und des Gesangs in Novi Sad, wirkte er als Opernsänger u.a. am Landestheater Thüringen in Eisenach, am Theater Augsburg und am Anhaltischen Theater Dessau. Die Kantorenausbildung erhielt er am Abraham Geiger Kolleg in Potsdam und an der Universität Potsdam von 2008 bis 2013. Seine Ordination und Investitur als Kantor erfolgte am 10. April 2013.
Beth Shalom ist den Grundsätzen des progressiven Judentums verpflichtet. Das bedeutet, dass wir eine zeitgemäße Interpretation und Ausübung des Judentums pflegen.
Wir stellen uns einer kritischen Reflexion von Tradition und Moderne durch angepasste Formen von Gottesdiensten, Integration der Landessprache oder modernisierten und universalistischeren Formulierungen und durch entsprechende Gestaltung von Feiertagen und Alltagsleben.
Wir fühlen uns der Gleichstellung von Frau und Mann sowie der Gleichwertigkeit aller Lebensformen oder sexuellen Orientierungen verpflichtet. Es gibt bei uns keine Geschlechtertrennung, es gibt Rabbinerinnen und Rabbiner, Kantorinnen und Kantoren, Bat Mizwa für Mädchen und Bar Mizwa für Jungs sowie den Toraaufruf für Frauen und Männer.
Wir sind offen für Vaterjuden und heißen auch nichtjüdische Lebenspartner herzlich im Gemeindeleben willkommen.
Die Zusammenarbeit mit Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen sowie gesellschaftliches Engagement für unsere ethischen Werte sind uns wichtig. Das bedeutet Aufgeschlossenheit und Achtung gegenüber allen Menschen, die unser ethisches Ideal einer friedlichen, gerechten und alle Menschen umfassenden Gesellschaft teilen.
Beth Shalom setzt die Tradition des liberalen Judentums fort, einer im 19. Jahrhundert in Deutschland entstandenen Richtung des Judentums, zu der sich auch in München bis zur Schoah die Mehrheit der Mitglieder der jüdischen Gemeinden zählte. So war die Münchner Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße mit reformiertem Gebetbuch, Orgel und gemischten Chor liberal, während die kleinere Synagoge Ohel Jakob in der Herzog-Rudolf-Straße modern orthodox ausgerichtet und die Synagoge in der Reichenbachstraße dem Ritus der polnischen Orthodoxie folgte.
Im Nazi-Terror wurden die Münchner Synagogen zerstört (die Hauptsynagoge auf Hitlers Befehl schon im Juni 1938 abgerissen, die beiden anderen Synagogen in der Pogromnach vom 9. auf 10. November 1938 niedergebrannt bzw. stark beschädigt) und das jüdische Leben vernichtet.
1945 gründeten Überlebende der Lager und jüdische Flüchtlinge aus dem Osten (so genannte Displaced Persons, DP) die Israelitische Kultusgemeinde wieder, die nun im Religiösen Orthodox ausgerichtet wurde. Doch das liberale Judentum verschwand nicht. Die Jüdinnen und Juden, die aus München noch rechtzeitig fliehen konnten, nahmen diese Tradition in ihre neue Heimat in Nordamerika, Großbritannien und andere Länder mit, wo sich das liberale Judentum (auch Reformjudentum oder progressives Judentum genannt) weiter entwickelt hat. Daran knüpft die Liberale jüdische Gemeinde München Beth Shalom an.
