Historisches Hintergrundwissen
Gegenreformation bis zum 18. Jahrhundert
Auch die Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert ist für Jüdinnen und Juden von Phasen des friedlichen Zusammenlebens und von Konflikten geprägt. In Franken und Schwaben gelingt die Organisation von selbst verwalteten Gebietskörperschaften. Im späten 17. und im 18. Jahrhundert beginnt sich dann die wirtschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung zu bessern.
Mit den Beschlüssen auf dem Konzil von Trient 1545 beginnt die Gegenreformation als Reaktion der katholischen Kirche auf die Lehren Luthers und die damit verbundenen religiösen und politischen Entwicklungen. Beherrschendes Charakteristikum innerhalb der alten wie auch der neuen christlichen Konfession bleibt dabei sowohl der religiös motivierte Antijudaismus als auch das Ziel, die jüdische Bevölkerung gegen deren Willen zu bekehren. Ausweisungen aus den mittelalterlichen Städten und größeren weltlichen und geistlichen Herrschaftsgebieten zwingen die jüdische Bevölkerung zur Flucht. Ein Teil wandert deshalb nach Norditalien oder Osteuropa aus oder versucht, in deutsche Städte zu ziehen, die noch Juden aufnehmen. In der Folge endet auch im Herrschaftsbereich der Wittelsbacher das jüdische Leben.
Die Integration von Jüdinnen und Juden in den Territorien kleinerer Herrschaftsbereiche in Franken und Schwaben erfolgt in Bayern allerdings durchgängig nicht aus humanitären Gründen, sondern aus ökonomischen Motiven: Die Orts- und Landesherren verlangen von ihnen Steuern und andere Abgaben und führen eigene Judenordnungen und Schutzbriefe ein.
Gleichzeitig ermöglichen die ländlichen Glaubensgemeinschaften jedoch die weitgehend unbehelligte Entwicklung jüdischen Lebens in Schwaben und Franken. Dabei organisiert sich die auf einzelne Orte verstreute jüdische Bevölkerung in selbstverwalteten Gebietskörperschaften, den sogenannten „Landjudenschaften“. Im Alltag gelingt ein Neben- und Miteinander von Juden und Christen, wenn auch aufgrund unterschiedlicher Kulturen nicht immer konfliktfrei.
Der Schrecken des Dreißigjährigen Krieges prägt durch das Kampfgeschehen, Seuchen und Hungersnöte auch das Leben der jüdischen Bevölkerung. Allerdings wird sie in der Regel mit mehr Rücksicht behandelt, da sie weder der katholischen noch der evangelischen Seite angehört und als Lieferant von Kriegsmaterial, Versorgungsgütern und Krediten für alle Konfliktparteien von Interesse ist.
Nach dem Krieg sehen sich die jüdischen Gemeinden mit neuen Herausforderungen konfrontiert, da ab 1648 zehntausende jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa nach Pogromen Zuflucht im Westen suchen. Unter ihnen befinden sich mehrere bedeutende Rabbiner, die die schwäbischen und fränkischen Regionen in den nachfolgenden Jahrzehnten mit ihrer Gelehrsamkeit und Bildung nachhaltig prägen.
Nach wie vor bleiben den Jüdinnen und Juden viele Gewerbezweige versperrt, sodass ihnen auch im 17. Jahrhundert vor allem der Handel oder das Kreditwesen als Einnahmequelle offensteht. So vermitteln sogenannte „Schmuser“ Geschäfte und Verträge aller Art, während sogenannte „Stoffjuden“ Kleidung und Textilien vertreiben. Allerdings verwehrt man der jüdischen Bevölkerung in der Regel den Betrieb eines Ladens, weshalb sie zum Teil dazu gezwungen sind, ihre Waren als Hausierer zu verkaufen. Während es jüdischen Familien in Vororten größerer Städte teilweise gelingt, sich als Händler zwischen Stadt und Land zu etablieren, bleibt die wirtschaftliche Lage der Landjuden in kleinen Dörfern bis auf wenige Ausnahmen prekär.
Die Einführung des Leibzolls stellt für viele jüdische Händler eine besondere Belastung dar. Dieser Zoll muss bei jedem Grenzübertritt gezahlt werden, was aufgrund der territorialen Zersplitterung Frankens und Schwabens sehr häufig vorkommt. In der Konsequenz bilden sich sogenannte „Judenwege“, die unter Umgehung der üblichen Zollstationen jüdische Gemeinden mit ihren Friedhöfen und wirtschaftlichen Zentren verbinden.
Neben dem Landjudentum existiert auch in Bayern eine jüdische Elite mit Sonderprivilegien, die als Hoffaktoren bzw. Hofjuden an den Fürstenhöfen tätig ist. Sie versorgen die Fürstenhöfe mit Luxusgütern, kümmern sich um die Ausstattung des Heeres und verantworten das Münzwesen. So etabliert sich ab dem 18. Jahrhundert in München eine aus wenigen Hoffaktorenfamilien bestehende Gemeinde, die im Laufe der Zeit durch die Zuwanderung aus fränkischen und schwäbischen Landgemeinden anwächst.
Im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert beginnt sich die wirtschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung zu bessern. Der fürstliche Absolutismus erkennt das wirtschaftliche und steuerliche Potential der jüdischen Bevölkerung und versucht, es für den eigenen Vorteil zu nutzen. Diese positive Entwicklung führt jedoch zu sozialen Unruhen und Übergriffen gegen die jüdische Bevölkerung, die auf Neid und antisemitischen Vorurteilen basieren. Ein Beispiel sind die blutigen Übergriffe im Hochstift Bamberg von 1699. Die Stellung der Juden bleibt ambivalent: Die nichtjüdischen Herrschaften versprechen Schutz vor Übergriffen durch die einfache Bevölkerung, fordern aber gleichzeitig erhebliche Abgaben.
Ab dem 18. Jahrhundert sind die meisten jüdischen Gemeinden in der Lage, finanzielle Mittel für den Bau einer Synagoge aufzubringen und eine entsprechende Genehmigung zu erhalten. Diese Landsynagogen, von denen manche bis heute erhalten geblieben sind, fungieren als Mittelpunkt des jüdischen Lebens in den jeweiligen Ortschaften. Insbesondere in Schwaben entstehen repräsentative Bauten wie die Synagoge in Ichenhausen.
Quelle: Karin Eben - Jüdisches Leben in Bayern - Haus der Bayerischen Geschichte