Zum Inhalt springen

Historisches Hintergrundwissen

Von der Nachkriegszeit zur Gegenwart

Nach 1945 gelangen rund 130.000 jüdische Überlebende aus Osteuropa, sogenannte „Displaced Persons“ (DPs) nach Bayern und finden dort Zuflucht. Viele der Überlebenden emigrieren nach einiger Zeit. Dennoch entstehen insbesondere in den größeren Städten neue jüdische Gemeinden, die ein reges religiöses und kulturelles Leben etablieren.

Der Holocaust löscht die jüdischen Gemeinden in Bayern nahezu vollständig aus. Lediglich eine geringe Anzahl bayerischer Juden überlebt den Nationalsozialismus in Lagern oder Verstecken. Diejenigen, die es geschafft haben zu emigrieren, leben auf der Welt verstreut.  

Nach 1945 wird Bayern – seit den zwanziger Jahren ein Zentrum des Nationalsozialismus – zum Mittelpunkt des Wiederaufbaus jüdischen Lebens. Rund 130.000 jüdische Überlebende aus Osteuropa, sogenannte „Displaced Persons“ (DPs), gelangen nach den Todesmärschen und der Befreiung der Konzentrationslager nach Bayern und finden dort Zuflucht. Polnische Jüdinnen und Juden, die während des Krieges in den asiatischen Teil der Sowjet-Union geflohen sind, können wegen teils gewalttätiger Verfolgungen in Polen nicht in ihre Heimat zurückkehren. Auch sie finden in der amerikanischen Besatzungszone vorübergehend Asyl. Die Displaced Persons sind allerdings von Anfang an Übergriffen der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung ausgesetzt.

Viele der Überlebenden emigrieren nach einiger Zeit vor allem in die USA, nach Kanada und in den neu gegründeten Staat Israel. Dennoch entstehen insbesondere in den größeren Städten neue jüdische Gemeinden, die ein reges religiöses und kulturelles Leben etablieren. Das jüdische Leben und die Tradition der kleinen jüdischen Landgemeinden vor allem im Fränkischen und Schwäbischen bleiben jedoch unwiederbringlich verloren – zu wenige ihrer Mitglieder haben den Holocaust überlebt oder wollen jüdische Kultur an den Orten wiederaufbauen, aus denen sie in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden sind. 

Schon1947 gründet sich der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden, der zwar anfangs auch die DPs vertritt, sich aber vor allem als Vertretung der kleineren Gruppe der bayerischen Überlebenden sieht. 

Unabhängig von ihrer Herkunft stellt der Aufbau eines neuen Lebens im Land der Täter für alle Juden eine beachtliche Herausforderung dar. Besonders schwierig gestaltet sich dies für diejenigen, die lange autonom und abgeschottet in den DP-Lagern leben. Das letzte dieser Lager, die Siedlung Föhrenwald im heutigen Wolfratshausen, wird erst 1957 geschlossen. 

Schändungen von jüdischen Friedhöfen und Synagogen gibt es nach dem Krieg durchgehend. In den 1970er Jahren kommt es dann zu einer Reihe von linksterroristischen und palästinensischen Anschlägen auf jüdische und israelische Einrichtungen. Das Olympiaattentat von 1972, bei dem elf israelische Sportler und ein bayerischer Polizist ermordet werden, hat sich in diesem Zusammenhang besondere im kollektiven Gedächtnis festgesetzt. 

Auch vor dem Hintergrund dieser Terroranschläge emigrieren viele Jüdinnen und Juden nach Israel, Großbritannien und in die USA. Allerdings verzeichnen die bayerischen jüdischen Gemeinden ab 1990 mit der Migration aus den Staaten der früheren Sowjetunion einen erheblichen Zuwachs.

Obwohl Bayern gegenwärtig mit dem demographisch bedingten Rückgang der jüdischen Bevölkerung und der Zunahme antisemitischer Tendenzen konfrontiert ist, hat sich der Freistaat zu einem bedeutenden Standort jüdischen Lebens in Europa entwickelt. Zahlreiche neue Synagogen und jüdische Zentren, die nach 1945 in Städten wie München, Würzburg oder Regensburg errichtet worden sind, zeugen vom Neubeginn jüdischen Lebens im Freistaat. 2023 verlegt die Europäische Rabbinerkonferenz ihren Sitz von London nach München. 

Quelle: Kristina Milz - Jüdisches Leben in Bayern - Haus der Bayerischen Geschichte