Zum Inhalt springen

Jüdische Gemeinden in Bayern

IKG Straubing und Niederbayern

Es ist davon auszugehen, dass jüdische Kaufleute bereits um 904 an der Donau entlang ansässig waren. Ab dem 13. Jahrhundert lässt sich für Straubing die Entstehung einer jüdischen Gemeinde belegen.

Gemeinde Straubing

Über uns

Die jüdische Gemeinde Straubing besteht seit dem 13. Jahrhundert. Sie bildet mit der einzig in Niederbayern verbliebenen Synagoge das Zentrum jüdischen Lebens in Niederbayern, weshalb das Gemeindegebiet ganz Niederbayern umfasst und Filialorte in Deggendorf, Landshut, Passau, Plattling und Vilshofen unterhält. 

Ein neuer, modern ausgestatteter Anbau an das Gemeindezentrum der Synagoge ergänzt seit 2006 die Räumlichkeiten der IKG Straubing. Neben einem Saal für 300 Personen entstanden ein Archiv, eine Bibliothek, eine Mikwe, ein Freizeitraum für Jugendliche sowie Räume für Büros. Ein Jahr später, 2007, konnte in einem feierlichen Akt das 100-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert werden. 

Die Gemeinde Straubing ist nach München und Nürnberg die drittgrößte Gemeinde in Bayern. Sie versteht sich als Einheitsgemeinde und bietet ihren Mitgliedern, gleich welcher religiösen Strömung, ein vielfältiges und lebendiges Gemeindeleben. Im Jahr 2021 zählte die IKG Straubing-Niederbayern 819 Mitglieder. 

Quellennachweis[1]

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Straubing

Ein erster konkreter Hinweis auf jüdisches Leben in Straubing findet sich 1307 im Straubinger Stadtprivileg Herzog Stephans, nach dem die ansässigen Schutzjuden ebenso wie die Christen zur Befestigung der Stadt beitragen mussten.  Aus dieser Zeit stammt auch ein Schuldenregister aus den Jahren 1329 bis 1333, das vom jüdischen Leben in Straubing zeugt. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts lebte in Straubing eine zahlenmäßig kleine jüdische Gemeinde, die sich der Regensburger Kehillah (jüdische Gemeinde) angeschlossen hatte und deren Friedhof mitbenutzte. Allerdings besaßen die Straubinger Juden offenbar einen eigenen Betraum und eine Mikwe sowie ein Schulzimmer, aber vermutlich keine Synagoge. Ihr Siedlungsschwerpunkt lag in der „Judengasse“ am Südrand der Altstadt nahe der Stadtmauer, die heute Rosengasse heißt. Straubing wurde mehrfach von grausamen Pogromen heimgesucht: Von der „Rintfleisch-Verfolgung“ 1298, der „Armleder-Verfolgung“ und den damit verbundenen Pogromen 1338 und noch einmal zehn Jahre später in den Pestjahren 1348/49. Die Verfolgungen des Jahres 1338 trafen die kleine Gemeinde besonders hart: Alle Häuser der jüdischen Familien wurden vom aufgebrachten Volksmob geplündert und in Brand gesteckt. Eine Urkunde des Herzogs Heinrich XIV. von Niederbayern rechtfertigte im Nachhinein die Plünderungen und erklärte alle Schulden für erloschen. Nach den Pestpogromen siedelten sich wieder Juden in Straubing an, gefördert von den Herzögen, die in den Schutzgeldern eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle sahen. Im Urkundenbuch der Stadt finden sich zahlreiche Einträge über Haus- und Grundstückskäufe durch Juden. So gab es im Jahre 1415 wieder eine nennenswerte Gruppe jüdischer Einwohner in Straubing. Als jedoch Herzog Albrecht III. die Regierung im Teilherzogtum 1438 übernahm, mussten die jüdischen Familien Straubing 1442 im Zuge seiner landesweiten Vertreibung endgültig verlassen. Erst nach 455 Jahren konnte sich wieder eine jüdische Gemeinde bilden.

Erst im 19. Jahrhundert siedeln sich nachweislich wieder jüdische Familien in Straubing an. 1811/12 zunächst eine, 1835 waren es sieben. Eine dauerhafte Niederlassung blieb schwierig und an Bedingungen – vor allem eigenes Vermögen – geknüpft. Mit der Aufhebung des Judenedikts wurde den bayerischen Juden 1861 schließlich die freie Wohnort- und Berufswahl gewährt. Die Straubinger Gemeinde wuchs daraufhin stetig: 1871 zählte sie bereits 22 Personen, 1890 41 Mitglieder. Ihre Toten bestattete sie, wie ihre mittelalterliche Vorgängergemeinde, zunächst wieder in Regensburg.
Die Gründung einer israelitischen Kultusgemeinde in Straubing wurde 1896 vom Stadtmagistrat und der Regierung von Niederbayern zunächst abgelehnt, weil man die Zahl der jüdischen Einwohner für zu gering hielt, dann aber doch genehmigt. Am 11. Januar 1897 wurde die Gemeinde staatlich anerkannt und am 1. März offiziell gegründet: Zu diesem Zeitpunkt lebten zwölf jüdische Familien mit insgesamt 48 Personen in Straubing, das etwa 15.000 Einwohner zählte. Um 1900 war die Gemeinde auf 81 Jüdinnen und Juden angewachsen. Sie trafen sich zum Gottesdienst zunächst in Privaträumen, später in einem Betsaal in der Steinergasse/Ecke Rosengasse. 1905 gründete sich ein Synagogenbauverein, der Geld für den Bau einer neuen großen Synagoge sammelte. Bis zum 4. September 1907 errichtete er ein jüdisches Gotteshaus im neoromanischen Stil. Die jüdische Gemeinde bestand inzwischen aus 24 Familien mit 112 Personen. Der Straubinger IKG schlossen sich 1908 auch 35 Familien mit 121 Personen aus anderen niederbayerischen Orten an. Sie wohnten u. a. in Landshut, Passau, Deggendorf, Plattling, Vilshofen und Grafenau, wo teilweise schon im Mittelalter jüdische Gemeinden bestanden hatten. In Straubing übten die jüdischen Mitbürger verschiedene Berufe aus, waren vor allem aber Gewerbetreibende. Die jüdischen Geschäfte befanden sich fast alle am Stadtplatz oder in den angrenzenden Seitenstraßen und prägten das Straubinger Stadtleben mit. 

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 nahmen Hetze und Ausgrenzung zu. Bereits am 1. April wurden Boykottaufrufe verbreitet und jüdische Geschäfte von SA-Leuten beschmiert und beschädigt. Im August 1933 wurde den Straubinger Juden der Besuch des Freibades verboten. Aufgrund der zunehmenden Diskriminierung und Entrechtung verließen viele Familien in den nächsten Jahren die Stadt. Wer konnte, emigrierte ins Ausland oder zog in die vermeintliche Sicherheit der anonymen Großstädte. Die IKG halbierte sich von 110 Mitgliedern im Jahr 1933 auf 51 im Mai 1939. Während der Novemberpogrome 1938 kam es in der Nacht zum 10. November zu Plünderungen und Vandalismus. Die Synagoge wurde verwüstet und geschändet, die Bausubstanz aber nicht in Gänze zerstört. 27 Männer aus der Gemeinde wurden verhaftet und zum Teil für mehrere Wochen in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Am 24. November arisierte die Stadt jüdische Immobilien- und Grundbesitz. Die Stadtverwaltung nutzte die Gelegenheit und erwarb elf Immobilien weit unter Wert. Die Synagoge sollte ein Kinderheim werden, später wurde sie von der Wehrmacht als Lagerraum missbraucht. 1942 lebten nur noch 30 Juden in Straubing. Sie wurden in das Vernichtungslager Lublin deportiert und dort ermordet. Im April 1945 sind schließlich noch zwei Juden in Straubing gemeldet, die vermutlich untergetaucht waren.

Die 1907 erbaute Synagoge und die angrenzenden Nebengebäude wurden nach 1945 wieder zum religiösen und gesellschaftlichen Mittelpunkt. Von der ursprünglichen jüdischen Gemeinde kehrte nur ein Ehepaar aus dem KZ Theresienstadt nach Straubing zurück. Bereits im Mai 1945 sollen jedoch 700 Überlebende des KZ-Außenlagers Ganacker in der Straubinger Synagoge einen der ersten jüdischen Gottesdienste auf deutschen Boden gefeiert haben. Befreite Überlebende der Todes- und Arbeitslager wurden als Displaced Persons (DPs) auch in Straubing von der US-Armee in beschlagnahmten Wohnungen untergebracht. Im November zählte die DP-Gemeinde 250 Personen. Die Zahl schwankte in den folgenden Jahren zwischen 248 im März 1946 und 435 im Juli 1947. Die jüdische DP-Gemeinde unterhielt eine Volksschule, einen Kindergarten und einen Sanitätsraum im jüdischen Gemeindezentrum sowie einen eigenen Sportverein und eine eigene Station im UNRRA-Krankenhaus. Stefan Schwarz, zugleich Vizepräsident der Zionistischen Organisation in Deutschland, gründete vermutlich bereits im Februar 1946 eine neue IKG Straubing. Sie hatte ihren Sitz im alten Gemeindezentrum der Synagoge, das notdürftig hergerichtet und wieder für regelmäßige Gottesdienste genutzt wurde. Aufgrund der anhaltenden Emigration nach Israel, Kanada und die USA sank die Zahl der DPs Ende der 1940er Jahre auf 97 Mitglieder, die schließlich in der Kultusgemeinde Straubing aufgingen.  Am 8. November 1964 wurden in der restaurierten Synagoge zwei Gedenktafeln mit 92 Namen der niederbayerischen Opfer der Shoah angebracht. In den 1960er und 1970er Jahren zählte die jüdische Gemeinschaft in Straubing nur etwa 100 Personen. Nach mehreren kleinen Renovierungen wurde die Synagoge 1988/89 gründlich restauriert. 1991 bildete sich die „Gesellschaft für jüdisch-christliche Zusammenarbeit in Niederbayern“, die seitdem zahlreiche Veranstaltungen organisierte. Mit der Zuwanderung von jüdischen Familien aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nach 1993 stieg die Zahl der Gemeindemitglieder auf über 1000 Personen an. Der daher notwendige, modern ausgestattete Anbau an das Gemeindezentrum der Synagoge wurde 2006 eingeweiht und symbolisiert seitdem die zukunftsorientierte Vitalität und Vielfalt der IKG Straubing. Neben einem Saal für 300 Personen sind ein Archiv, eine Bibliothek, eine Mikwe, ein Freizeitraum für Jugendliche sowie Räume für Büros entstanden. 2007 feierte die IKG Straubing ihr 100-jähriges Bestehen. 2012 gehörten rund 900 Menschen aus ganz Niederbayern der Kultusgemeinde Straubing an, davon rund 800 Zuwanderer aus Osteuropa. Seit Jahren findet wieder ein facettenreiches Gemeindeleben statt, mit regelmäßigen Gottesdiensten und Andachten, Seminaren, Kursen, Vorträgen sowie religiösen und geselligen Veranstaltungen.

Israelitische Kultusgemeinde Straubing/Niederbayern

ikg-straubing.de