Jüdische Gemeinden in Bayern
IKG Nürnberg
Jüdisches Leben ist fester Bestandteil der Stadt Nürnberg und ihrer Umgebung. Spätestens im 12. Jahrhundert haben sich Jüdinnen und Juden in Nürnberg angesiedelt.

Die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg ist eine Einheitsgemeinde, die keiner der hauptsächlichen Strömungen im Judentum angehört, sondern eine zentrale Gemeinde für Jüdinnen und Juden jeglicher religiösen Ausrichtung in Nürnberg ist. In der Synagoge wird der orthodoxe Ritus beachtet, wie er seit den 1920er Jahren für die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg gilt.
Mit der Einweihung der Synagoge (1984), dem Bau eines Seniorenwohn- und Pflegeheims und der Eröffnung eines neuen Gemeindezentrums mit Klassenräumen, einem großen Saal, Büros und einem Jugendzentrum (2016) bietet die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg ihren Mitgliedern eine umfassende Infrastruktur, die in den letzten Jahren durch einen koscheren Lebensmittelladen ergänzt wurde. Die Eröffnung eines Kindergartens im April 2025 wird das Angebot abrunden.
Mit rund 2.500 Mitgliedern ist die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg die zweitgrößte Gemeinde Bayerns.
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Nürnberg
Der Bau der ersten nachweisbaren Synagoge in Nürnberg im Jahr 1296 ist der erste historische Beleg für die Existenz einer jüdischen Gemeinde in der damaligen Reichsstadt. Kurze Zeit später wurde außerhalb der Stadtmauer ein eigener jüdischer Begräbnisplatz angelegt. Diese erste Kultusgemeinde wurde 1298 durch die „Rintfleisch-Verfolgung“ ausgelöscht, der in Nürnberg 628 Menschen zum Opfer fielen.
Unmittelbar nach dem Pogrom förderte König Albrecht I. den Aufbau einer neuen jüdischen Gemeinde. Sein Nachfolger Heinrich VII. übertrug 1313 das Nürnberger Judenregal an den Rat der Stadt. Damit gehörten die Juden zur Schutzgemeinschaft der Reichsstadt, ohne jedoch die üblichen Bürgerrechte zu besitzen. Sie durften keine „ehrbaren“ Berufe ausüben, sodass die meisten Nürnberger Juden sich dem Geld- und Kreditgewerbe widmeten. Die Gemeinde blühte auf und hatte wieder regen Zuzug. Im Jahre 1338 wurden 212 jüdische Hausväter gezählt, was auf eine Gesamtzahl von 1000 bis 2000 Jüdinnen und Juden in Nürnberg schließen lässt - immerhin etwa 10% der Gesamtbevölkerung.
1349 übertrug Kaiser Karl IV. dem Nürnberger Stadtrat mit einem neuen Marktrecht auch die volle Verfügungsgewalt über das jüdische Viertel. Hier sollten nun zwei neue Marktplätze und anstelle der Synagoge eine Kirche entstehen. Als Vorwand diente die Pestepidemie, die 1348/49 Europa heimsuchte. Überall kursierte die antijüdische Verschwörungstheorie der Brunnenvergiftung und es kam zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, bei denen rund 570 Frauen, Männer und Kinder ermordet wurden. Einige wenige Familien hatten das Pogrom überlebt und blieben in Nürnberg. Sie siedelten sich in der heutigen Judengasse und der Rotschmiedgasse, an.
Am 20. Februar 1499 übergab Reichsschultheiß Wolf von Parsberg die Häuser und Grundstücke der Nürnberger Juden, die Synagoge und den Friedhof an den Rat der Stadt. In den folgenden Tagen wurden die jüdischen Familien aus ihrer Heimatstadt vertrieben. Dreieinhalb Jahrhunderte lang blieb den Juden die Niederlassung in Nürnberg offiziell verboten.
Der Großhändler Josef Kohn war nach 350 Jahren der erste Jude, dem in Nürnberg am 24. Mai 1850 nach einer knappen Abstimmung das Bürgerrecht verliehen wurde. Es begann eine neue Blütezeit jüdischen Lebens in Nürnberg: Nach dem Präzedenzfall Kuhn erhielten immer mehr Juden das Wohnrecht. 1859 gründete sich daraufhin zunächst ein Israelitischer Religionsverein, aus dem 1861 die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg hervorging. Das Selbstverständnis der Kultusgemeinde manifestierte sich in einer prächtigen, repräsentativen Synagoge, die 1874 eingeweiht wurde.
Jüdische Fabrikanten, Kaufleute und Arbeiter leisteten einen wertvollen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung der alten Reichsstadt. Jüdische Hopfenhändler in Nürnberg ermöglichten den Aufstieg der bayerischen Industriebrauereien zur Weltspitze. Die Camelia-Werke, die Schuhfabrik Medicus, das berühmte Warenhaus Hermann Tietz, die Fahrradfabrik Herkules und die Bing-Werke sind die bekanntesten Beispiele jüdischen Unternehmergeistes in diesen Jahren. Auch politisch engagierte sich die IKG und stellte mit Wolf Frankenburger einen Abgeordneten im Landtag und im Reichstag sowie mit Gabriel Löwenstein einen frühen Vertreter der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Bis 1900 hatte sich die Zahl der Nürnberger Juden und Jüdinnen auf 5.956 mehr als verdoppelt.
Im Ersten Weltkrieg kämpften 1.543 jüdische Nürnberger, von denen viele ausgezeichnet wurden. Für die 178 Gefallenen errichtete die Kultusgemeinde 1922 nach Plänen des jüdischen Architekten Fritz Landauer aus München auf dem neuen jüdischen Friedhof ein Ehrenmal.
Bereits in den ersten Jahren der Weimarer Republik breitete sich in Nürnberg ein zunehmend aggressiver Antisemitismus aus. Nach der Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe und einer Nürnberger SA im Jahr 1922 nahmen auch die antijüdischen Übergriffe zu. Ab 1927 wurde Nürnberg zum Austragungsort der „Reichsparteitage“ der NSDAP, ab 1933 begannen nach der Machtübernahme sogenannte „verschärfte Maßnahmen“ gegen die 7502 jüdischen Nürnberger, begleitet von einer Hetzkampagne des Parteiblattes „Der Stürmer“ und seines Herausgebers, des Nürnberger Stadtrats und Gauleiters für Mittelfranken Julius Streicher. Es folgten Boykottaufrufe, Gewalt und Diskriminierung. 1935 wurden in Nürnberg die sogenannten „Rassengesetze“ erlassen. Der zunehmende Antisemitismus führte zwischen 1933 und 1939 zur Auswanderung oder Umzug von 5.638 Gemeindemitglieder. Mit einem juristischen Winkelzug enteigneten die Machthaber schließlich im Sommer 1938 die Synagoge und ließen sie ab dem 10. August abreißen. In der Nacht zum 10. November 1938 versammelten sich SA-Trupps und stürmten die Synagoge des Vereins „Adas Israel“. Das Gotteshaus brannte aus. In ganz Nürnberg verwüsteten und plünderten SA-Männer jüdische Geschäfte und Privathäuser. Anschließend wurde die jüdische Bevölkerung in „Schutzhaft“ genommen. Mindestens neun Menschen wurden in diesen Stunden ermordet, viele Juden begingen Selbstmord. Alle Männer unter 60 Jahren wurden am 11. November in das Konzentrationslager Dachau gebracht und dort mehrere Wochen festgehalten. Fast alle der letzten jüdischen Einwohner wurden 1941/42 aus dem Sammellager „Nürnberg-Langwasser“ deportiert. Im selben Jahr wurde der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Leo Katzenberger, in einem Schauprozess wegen angeblicher Rassenschande zum Tode verurteilt und durch das Fallbeil hingerichtet. Die wenigen verbliebenen Mitglieder der Gemeinde hielten mühsam das religiöse Leben aufrecht und feierten ihre Gottesdienste im ehemaligen jüdischen Schulhaus. Die Kultusgemeinde wurde schließlich am 18. Juni 1943 aufgelöst. Als die US-Armee am 20. April 1945 Nürnberg erreichte, hielten sich nur noch 40 Juden in der Stadt auf.
Noch im April 1945 gründeten Dr. Julius Nürnberger, Adolf Hamburger und Paul Baruch, die den Nationalsozialismus in Nürnberg überlebt hatten, ein Komitee zur Interessensvertretung der Nürnberger Juden. Am 28. Januar 1962 wurde schließlich die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg neu gegründet, deren 196 Mitglieder sich dem Wiederaufbau jüdischen Lebens in der Stadt widmeten. Durch den Zuzug von Juden aus den Ländern des Warschauer Pakts wuchs die IKG in den 1950er und 1960er Jahren weiter. 1972 wurde Arno Hamburger zum ersten Vorsitzenden der Gemeinde und in den Nürnberger Stadtrat gewählt, womit die Gemeinde nach vielen Jahren wieder im Stadtparlament vertreten war. Aufgrund des stetigen Wachstums der Glaubensgemeinschaft entstand bis zum 8. September 1984 ein neues Gemeindezentrum. Die Einweihung erfolgte auf den Tag genau 110 Jahre nach der Einweihung der großen Synagoge am Hans-Sachs-Platz. 1987 kehrte auch der sogenannte „Judenstein“ – der Thora-Aufsatz aus der 1499 zerstörten Synagoge – an die Gemeinde zurück. Nach 1990 wuchs die Gemeinde durch den Zuzug von Jüdinnen und Juden aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion so stark an, dass das bestehende Gemeindezentrum und die Synagoge nicht mehr ausreichten. Nach umfangreichen Baumaßnahmen konnte am 3. Juli 2016 ein neues, größeres Gemeindezentrum eingeweiht werden, das zum neuen Mittelpunkt jüdischen Lebens in Nürnberg geworden ist. Um das jüdische Leben in Nürnberg zu fördern und sichtbar zu machen, unterstützt die Gemeinde verschiedene Projekte von und an Schulen zum Abbau von Vorurteilen und engagiert sich in verschiedenen Netzwerken wie der „Allianz gegen Rechtsextremismus“, dem „Bündnis für Familie“, der Aktion „Nürnberg hält zusammen“, dem „Netzwerk gegen gewaltbereiten Salafismus“ und dem „Rat der Religionen“.

Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg K.d.ö.R